Energiepolitische Anmerkungen
Die Energiepreise sind so hoch wie seit langem nicht mehr. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Preis für Heizöl um über 30 Prozent, für Superbenzin um knapp 25 Prozent, für Diesel um über 21 Prozent in die Höhe geschnellt. Das sind atemberaubende Preissprünge, die im Moment die Kund:innen an allen Tankstellen im Land daran zweifeln lassen, ob sie die Anzeige an der Zapfanlage auch richtig gelesen haben. Laut Berechnungen der Österreichischen Energieagentur hat sich der Energiepreisindex zwischen August 2020 und August 2021 um nicht weniger als 15,2 Prozent erhöht.
Selbst die Strom-, Gas- und Brennholzpreise liegen deutlich über den Vergleichswerten des Vorjahres. Die Gründe dafür sind leider offensichtlich: Nach der Krise springen Wirtschaft und Industrie wieder an und produzieren dadurch auch eine hohe Nachfrage nach Energie, was gemäß kapitalistischer Logik die Preise durch die Decke schießen lässt.
Es steht zu befürchten, dass insbesondere Erdgas in den kommenden Monaten noch teurer wird. Die EU deckt rund 25 % ihres gesamten Energiebedarfs mit Erdgas und importiert Jahr für Jahr rund 357 Millionen Tonnen RÖE (Rohöleinheiten)[1] dieses Rohstoffs; rund 13 % davon stammen aus Algerien, rund 25 % aus Norwegen, und nicht weniger als 40 % aus Russland.[2] Die EU kann nicht einmal die Hälfte ihres Erdgasbedarfs aus eigenen Vorkommen decken und ist daher auf Importe angewiesen. Aufgrund dieser Zahlen und Verhältnisse wird, denke ich, sehr deutlich, warum es eine so vordringliche Aufgabe ist, die Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen zu beenden oder zumindest zu verringern. Russland liefert jährlich rund 140 Millionen Tonnen RÖE an die EU und ist daher der mit Abstand wichtigste Energielieferant. In dieser enorm bequemen Position können Russlands Präsident Wladimir Putin und die mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen Konzerne Gazprom und Rosneft die Preise praktisch diktieren und die Zufuhr kontrollieren.
Der Erdgasbedarf der EU verteilt sich im Übrigen rund zur Hälfte aufs Heizen sowie zu jeweils einem Viertel auf die Industrie und auf die Stromerzeugung. Deshalb hat eine Erhöhung der Gaspreise auch Auswirkungen auf den Strompreis.
Und in Vorarlberg?
In Vorarlberg liegt der Anteil von Erdgas am gesamten Energiebedarf bei rund 22 % (2.078 GWh von insgesamt 9.469 GWh), wobei diese Energieform im Wesentlichen in den Bereichen Gebäude und Industrie eingesetzt wird.[3] Da Vorarlberg über keinerlei Erdgasvorkommen verfügt, beträgt die Importabhängigkeit 100 %. Der Gasbedarf ist in den letzten Jahren einigermaßen konstant geblieben – was keine schlechte, aber auch keine besonders gute Neuigkeit ist, weil es uns ja ein Anliegen sein müsste, den Erdgasverbrauch drastisch zu reduzieren – und zwar sowohl aus ökologischen als auch aus ökonomischen Gründen. Nach wie vor werden in Vorarlberg nach Angaben der Statistik Austria 22.729 von insgesamt 169.735 Haushalten mit Gas beheizt, das sind rund 13,4 % aller Haushalte.
Die gute Nachricht ist, dass der größte Energieversorger Vorarlbergs, illwerke vkw, trotz der hohen Preisniveaus auf dem Energiesektor derzeit nicht an eine Anhebung der Strom- und Gaspreise für die Endkund:innen denkt. Das ist nicht zuletzt der langfristigen Beschaffungsstrategie des Unternehmens zu verdanken. Erst im April 2022, also nach dem Ende der Heizsaison, wird illwerke vkw über eine Erhöhung der Gas- und Strompreise entscheiden.
Was tun?
Warten mit dem Ausstieg? Keine Steuer auf CO2? Klimaschutz verschieben, weil es jetzt grad nicht so günstig ist, wenn die Energiepreise steigen?
Ganz im Gegenteil: Raus aus der Abhängigkeit und der Erpressbarkeit!
Die Bundesregierung und das Land Vorarlberg sind gerade dabei, eine ganze Reihe von Anreizen zu schaffen, um den Anteil an erneuerbarer Energie am Gesamtenergiebedarf zu erhöhen. Das Land Vorarlberg etwa fördert thermische Solaranlagen, Holzheizungen und Hausanschlüsse an Nahwärmesystem, elektrisch betriebene Heizungswärmepumpen und Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung in der Höhe von bis zu 50 % der Investitionskosten.[4] Und auch der Bund fördert den Umstieg, denn wir wissen, dass bei der Stromerzeugung aus Photovoltaik, Wasserkraft und Wind keine variablen Kosten anfallen – die Preise schwanken also weit weniger als bei der Stromproduktion aus Öl und Gas, die Belastungen werden wesentlich besser berechenbar. Und wenn mehr Energie aus erneuerbaren Quellen auf den Markt kommt, bedeutet dies auch, dass die vergleichsweise teuren bzw. künstlich knapp gehaltenen fossilen Energieträger wie Erdöl und Erdgas zurückgedrängt werden können.
Und nur um dem immer wieder auftauchenden Vorwurf zu begegnen, die Grünen hielten vor lauter Ökologie die soziale Lage der Bevölkerung für nebensächlich: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat im Frühjahr 2021 angekündigt, dass einkommensschwache Haushalte künftig Förderungen in Höhe von 100 % der Investitionskosten erhalten können, um auf umweltfreundliches Heizen umzusteigen.[5] Die genauen Modalitäten stehen gegenwärtig noch in Verhandlungen; diese sollten aber bald abgeschlossen sein. Denn uns ist klar, dass ökologisches Bewusstsein nicht vom Umfang der Geldbörse abhängen darf.
Das Fazit ist simpel: Wir treiben den Ausstieg aus Öl und Gas weiter voran und fördern die Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen. Das ist nicht nur das ökologisch notwendige Vorgehen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und Klimaneutralität herzustellen, sondern auch die beste Strategie, um die Strom- und Heizrechnung verlässlich kalkulieren zu können und die politische Erpressbarkeit zu beenden. Der Umstieg auf erneuerbare Energie zahlt sich aus – auf jeder Ebene!
[1] RÖE sind eine von mehreren international gebräuchlichen Energieeinheiten. Ein Kilogramm RÖE entspricht 1,319 Kubikmetern Erdgas. [2] Vgl. die Statistik der BPB. [3] Vgl. Energie- und Monitoringbericht 2020 des Landes Vorarlberg. [4] Vgl. die Energieförderungsrichtlinie des Landes Vorarlberg. [5] Hier die Presseaussendung der Ministerin.
Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen: schoen. Computernetze stoppen, der Mensch berherrscht sie nicht.